#filternet – Wenn Private Richter spielen, der Staat mitmacht, Richter weinen, und wir nur entsetzt sind

#filternet. Haben Sie diesen Begriff eventuell schon einmal gehört und wissen um seinen Gebrauch in letzter Zeit? Wissen Sie, worum es geht? Wenn Nein, dann ist das traurig. Denn es zeigt, dass der Plan funktioniert. Aber welcher Plan? Es geht um Rechteinhaber, es geht um rechtmäßige Verbreitung von Urheberrechtsverletzungen – aber es geht auch um Zensur. Zensur wie sie in China betrieben wird.

Vor gut einem Monat, tobte ein Shitstorm durchs deutsche Internet. Einen Shitstorm ausgelöst von Nutzern der Website https://s.to. Die kamen nämlich nicht mehr auf ihre Webseite, sondern stattdessen auf eine nette Seite, die folgendes zeigte:

Viele Nutzer waren erst mal erschrocken. Hat es ernsthaft einen Gerichtsbeschluss gegeben, der dafür gesorgt hat, dass die Webseite nicht mehr durch deutsche Internetprovider zur Verfügung gestellt werden darf? Müssen deutsche Internetprovider diese Website jetzt sperren? Nein, müssen sie nicht! Aber sie machen das einfach trotzdem, weil sie es können. Lassen Sie es mich mit einem Märchen erklären.

Es begab sich fernab der deutschen Mittelschicht, in oberen Etagen einmal die Geschichte, dass Rechteinhaber keine Lust mehr hatten, den offiziellen Rechtsweg zu gehen, plötzlich kam bei einem Internet-Meeting dieser Rechteinhaber in ihren Badewannen voller Geld die Idee!

Warum blocken wir nicht einfach selber?“

So begab es sich, dass die Rechteinhaber mit vielen verschiedenen Organisationen zusammengearbeitet haben und eine Clearingstelle für Urheberrecht im Internet gegründet haben. Ein privater Verein, der mit Zusammenarbeit der Bundesnetzagentur fleißig Seiten sperrte. Das fiel diesen Rechteinhabern so leicht, weil sich in ihren Reihen auch die größten deutschen Internet-Provider befanden. Mit den Ausreden, dass man transparent zeige welche Seiten gesperrt sind, dass die Bundesnetzagentur ja involviert ist (die ja die Kompetenz dafür habe) und dass man ja ehemalige BGH-Richter in seinen Reihen habe, wurde man aktiv. Einfach so, ohne große Ankündigung.

Einer der Rechteinhaber hatte aber Bedenken, er war sich nicht sicher, ob die Nutzer das nicht irgendwann merken würden, wenn hinter ihrem Rücken einfach so Seiten gesperrt werden. Und auch noch ohne richterliche Verfügung! Da lachten ihn die anderen Rechteinhaber aus und sagten: „Ist doch egal ob sie es merken. Es geht um die dumme Mehrheit, die, die einfach nutzen. Wenn die nicht mehr draufkommen, kriegen die Webseiten keine Werbeeinnahmen mehr und dann ist es nicht mehr unser Problem. Irgendwann geben sie den Betrieb auf und Wir haben unsere Ruhe. Ganz ohne Richter und diese ständig langen fairen Verfahren. Denk mal nach, ist doch ganz logisch. Wie ersparen uns diese dämlichen Gerichtsverhandlungen und die Rechtsanwaltskosten – wir machen es einfach selbst. Glaub dran! Das wird funktionieren! Das Geld, für die Rechtsverfahren, können wir dann anderweitig einsetzen, uns zum Beispiel irgendwann größere Badewannen für unser Geld kaufen.“ „Aber wird man uns nicht das Kartellamt auf den Hals hetzen?“, fragte der zögerliche Rechteinhaber. „Das ist geklärt.“, erwiderten die anderen und lachten. Was genau sie meinten, steht in den Sternen.

Ich muss hier nochmal erwähnen, dass dieses Märchen natürlich überspitzt ist. Satire, sag ich mal direkt, solltet ihr mal auf Wikipedia nachlesen.

Das Problem mit dem Recht

Aber werden wir faktisch. Das Grundproblem wird vom Märchen gut erklärt. Es gibt ein Problem – unser deutsches Rechtssystem ist es. Nehmen wir einmal an Sie sind Rechteinhaber. Sie haben eine gute Serie produziert. Plötzlich geht eine Seite her und sammelt Links zu Folgen dieser Serie im Internet, die da vielleicht nicht so ganz legal hochgeladen wurden. Jetzt müssen Sie vor Gericht gehen, um Ihren Anspruch geltend zu machen, dass die illegal hochgeladenen Inhalte gelöscht werden müssen.

Aber das ist gar nicht so einfach. Vor allem, wenn die Betreiber der Plattform, auf der der Inhalt hochgeladen wurde in einem Land sitzen, dass nicht so sehr mit den deutschen Gerichten kooperiert und der Betreiber selbst das auch nicht tut. In so einem Fall wird eine andere Lösung für das Problem gewählt. Der illegale Download bleibt dabei online, aber der Zugriff aus Deutschland aus wird nicht mehr zur Verfügung gestellt. Das kann man sich bildlich so vorstellen, als würde man die Klinke von einer Tür abbauen. Es gibt den Raum noch. Es gibt auch noch das was im Raum drin ist – aber man kommt nicht mehr rein, es sei denn man holt sich eine Türklinke. Nun hat nicht jeder immer eine Türklinke zur Hand, die Mehrheit wohl eher nicht. Die meisten werden, diesen Raum also nicht betreten können.

Ich habe ihnen gerade auf eine sehr merkwürdige Weise eine Websperre erklärt. Und diese Sperren (auch wenn ich generell etwas gegen Sperren habe) sind eigentlich völlig legitim, auch rechtlich eigentlich unproblematisch – wenn sie von einem Rechtsvertreter ausgesprochen werden, also einem Richter und nicht von einer „Clearningstelle“ die da überhaupt keine Verfügung zu hat.

Wie wird gesperrt?

Im Fall der Clearingstelle für Urheberrechte im Internet wird die sogenannte DNS-Sperre angewendet. Damit Sie das Verstehen, müssen wir wieder einen bildlichen Vergleich ziehen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen jemanden anrufen. Was brauchen Sie dafür? Richtig! Die Telefonnummer. Im Internet gibt es auch so eine Art Telefonnummer. Die heißt IP-Adresse, jeder Computer und jede Webseite hat eine eigene IP-Adresse. Und es gibt Server im Internet die DNS-Server heißen. Dann gibt es im Internet noch sogenannte Domains, das heißt das was Sie meistens eingeben – facebook.com, google.com etc.

Die DNS-Server übernehmen hier die Aufgabe eines Telefonbuches. Wenn Sie beispielsweise auf google.de möchten, fragt Ihr Rechner bei einem DNS-Server nach wie denn die IP von google.de lautet. Der Server antwortet mit der IP von google.de und Sie bekommen die Seite im Webbrowser zu sehen. Von der Abfrage im Hintergrund sehen Sie nichts.

Natürlich gibt es nicht nur einen dieser DNS-Server. Es gibt ganz viele und auch jeder Provider hat einen eigenen. Vodafone hat einen eigenen, die Telekom hat einen eigenen, und jetzt raten Sie mal wo denn die Rechner der Kunden von Vodafone und der Telekom ihre DNS abfragen machen. Hundert Punkte! – Beim jeweiligen Provider-DNS-Server.

Machtmissbrauch?

Und genau hier setzt diese Clearingstelle an. Indem man zum Beispiel die Telekom mit ins Programm aufnimmt, sind die verpflichtet in ihren DNS-Servern, die Sperren der Clearingstelle umzusetzen. Zumindest verpflichtet sich die Telekom freiwillig dazu, wenn sie der Clearingstelle beitritt. Im DNS-Server der Telekom wird jetzt beim Eintrag, der Domain mit dem illegalen Inhalt einfach die IP-Adresse geändert. Und schon landen Kunden der Telekom auf einer Seite, auf die sie gar nicht wollten – in diesem Fall auf einer Sperrseite.

DNS-Server haben somit eine große Macht. Sie steuern, was ihre Nutzer sehen, und was nicht. In unserem Fall lassen sie keinen Zutritt auf Webseiten zu, die Rechteinhabern ein Dorn im Auge sind. Ohne Richterliche Anordnung, ohne Gerichtsurteil. Richter und Henker vereint. Die Clearingstelle kümmert sich bisher natürlich nur um die Sperrung von Webseiten, wenn da Rechte verletzt werden, die einem ihrer Partner gehören. Um also vom großartigen Zensurapparat zu profitieren, muss man der Clearingstelle als Partner beitreten.

Was?! Zensur?

Ja ich hab’s gesagt – Zensurapparat! Lasst mich erklären. Ich finde ja die Idee, das Verfahren zu vereinfach Okay. Aber so? Ich habe da Bauchschmerzen. Wenn wir es streng sehen (und das müssen wir) stehen wir am Anfang einer Zensurkultur, wie man sie in der Volksrepublik China kennt – es tut mir leid. Aber wenn Richter einfach durch irgendeinen Verein ersetzt werden, soll das Die Lösung sein!?

Ich betone, dass wir am Anfang von so etwas sind. Bis wir genau da landen wo China jetzt ist wird es einige Zeit dauern. (Hoffentlich … #Uploadfilter) aber umso früher müssen wir anfangen dagegen vorzugehen. Gerade jetzt, kurz vor der Wahl, sollten wir den Politikern zeigen, dass wir uns nicht gerne zensieren lassen, auch wenn es um Inhalte geht, die nicht ganz hundertprozentig Legal sind. Und vor allem wenn da keine Richter und Verfahren involviert sind. Mich interessiert es nicht, dass da ehemalige Richter involviert sind. Was haben die denn noch zu sagen? Ich lasse mich doch auch nicht von einem ehemaligen Polizisten verhaften. Ob der Oberoberkommisar war oder nicht.

Es geht darum wie die Sperre aufgebaut wurde und welche Leute hier die Entscheidungsgewalt haben. Die Rechteinhaber, sozusagen die Opfer, wie man sie bei einem Gerichtsverfahren nennen würde. Das ist so, als würde ein angefahrenes Kind selbst den Autofahrer verurteilen können. Natürlich handelt man dann in seinem eigenen Interesse. Unabhängig?! Zu Falsch, um überhaupt dran zu denken.

Es ist mir egal welche hochtrabenden ehemaligen Richter dabei sind und ob die Bundesnetzagentur da da mitmacht. (Anmerkung: Hier eine „Rechtfertigungsseite“ der Bundesnetzagentur zu den Thema.) Der Richter soll Richter bleiben und die Bundenetzagentur sollte sich vielleicht mal überlegen, ob es wirklich ihre Aufgabe ist, für eine private Clearingstelle den staatliche „Billigungsstelle“ zu spielen.

Was ist am Rechtsweg so falsch? Und warum verbessert man diesen nicht, statt hier so einen Umweg zu schaffen?

Fragen – Was nun?

Die Dumme Mehrheit ist das Ziel dieser Kampagne. Eigentlich ist das was die CUII macht, also die Grundidee ja gar nicht so verkehrt. Aber es mutet so, dass Lobbyisten der Rechteinhaber so lange genervt haben, bis man ihnen eine Möglichkeit gegeben hat den rechtlichen langen (aber fairen) Weg zu umgehen, beziehungswiese dessen Vorgehen jetzt toleriert. Wer hat wohl jetzt die Kontrolle über die Clearingstelle?! Wer sind denn die Personen, die da jetzt genau so viel, wenn nicht mehr zu sagen haben als ein Richter? Und aus welchem Umfeld kommen sie?

Im Gremium, welches über die Sperrung abstimmt, sitzen ja anscheinend ehemalige Richter des Bundesgerichtshofes. Wie mag das wohl sein, wenn man den Job wechselt, und trotzdem noch über Netzneutralität aktiv mitentscheiden darf? Welche etischen Ansichten muss ein Gremiumsmitglied haben? Muss ein Gremiumsmitglied genauso Neutral über einen Sachverhalt urteilen und entscheiden, wie ein Richter das muss? Und was wenn das nicht der Fall ist? Fliegt das Mitglied dann? Würden es die Bürger je erfahren? Sind die Abstimmungen öffentlich verfolgbar, wie Debatten im Bundestag? Wird der Bürger je mit einbezogen? Was hat ein geschwärztes Dokument mit Transparenz zu tun?!

In diesem Zustand kann ich solch ein Verfahren nicht guten gewissen unterstützen.

Hiermit verweise ich euch liebend gerne auf die Webseite CUIILISTE.de. Da bekommt man alle weiteren Infos zu dem Mist und kann auch nachlesen. Wie man sich von den Zensur-DNS-Servern der Provider (unteranderem Telekom, 1&1, Vodafone) befreien kann. Völlig kostenlos, legal und ohne andere Risiken.

Und ändert es nicht nur bei euch, sondern auch bei Freunden und Familienangehörigen. Verbreitet diese Nachricht. Wenn ein soziales Netzwerk den Inhalt seiner Plattform moderiert, ist das schon ein wenig problematisch, vor allem wenn es um Meinungsfreiheit geht – aber hier kann man einfach die Plattform meiden.

Wenn aber unsere Internetprovider zusammen mit einem „Verein“ und einer Bundesagentur ohne Richter, unabhängig vom Rechtsstaat unser Nutzungsverhalten kontrollieren wollen – dann sollten wir auf die Barrikaden gehen. Es war jedem klar, dass das den Leuten nicht gefallen würde, warum wurde es wohl so im Hinterstübchen einfach Online gestellt und nicht groß angekündigt? Das Kartellamt sagt es ist alles Okay, aber ich wage mal anzunehmen, dass jeder hier Bauchschmerzen hat. Ich habe Bauchschmerzen. Denn es fängt mit Urheberrecht an – aber wo endet es? Etwa hier?


Dokumentation von Artikel-Veränderungen:

  • 19.04.2021: Schreibfehler korrigiert. Layout-, Formatierungs- und Übersichtsverbesserungen. Entschärfung in unteren Abschnitten. (ich bitte die Emotionalität zu Entschuldigen)

Quelle und Inspiration unteranderem:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert